Mittwoch, 9. September 2009

„Was sollen denn die Nachbarn denken“

Ein Mitglied der Sailors meinte letztens zu mir, ich soll nicht soviel übers saufen schreiben. „Die Leute kriegen dann einen komischen Eindruck von Dir“. „Hm“, dachte ich mir da, „ich bin ja auch komisch“. Mal im Ernst: Soll ich so tun, als wäre ich normal? Ich bin bekennender Wochenendalkoholiker, bzw. um genau zu sein Fußballalkoholiker. Wenn man meine Oma fragen würde ist das kein gutes Verhalten. Wenn man meine Eltern fragen würde auch. Und ehrlich gesagt: Selbst wenn man mich fragen würde, würde ich sagen, dass das nicht zwingend etwas ist, was man jungen Menschen als Lebensziel mit auf den Weg geben sollte. Trotzdem sollte man mit dem Thema auch offen umgehen. Denn ich unterschiede mich nicht von Millionen anderen Menschen. Es zeugt zugegebenermaßen von einem großen Selbstdarstellungsdrang selbst über diese Niederungen des menschlichen Dasein so ausführlich zu schreiben, aber ich finde es wichtig mit diesem Thema offen umzugehen. Mir gingen Leute schon immer auf den Nerv, die sich als unfassbar unfehlbar darstellen und sobald man einen Einblick in deren Inneres erhält stellt man fest, dass die keinen Deut besser sind als man selbst. „Was sollen denn die Nachbarn denken“, hat meine Mutter früher immer gesagt. Ich habe festgestellt, dass viele Mittelstandskinder mit dem selben Spruch aufgewachsen sind. Es ist aber nicht wichtig, was die Nachbarn über einen denken. Wichtig ist, was man über sich selbst denkt. Und dazu gehört meiner Meinung nach auch mal schonungslos auf sein Leben zu schauen. Und ich bin so dumm, selbstverliebt, selbstdarstellungssüchtig, offen das auch noch niederzuschreiben. Sei es auch nur in einer Momentaufnahme. Denn was ich an einem Mittwochmorgen um 09:46 schreibe muss ich nicht zwingend am Freitag kommender Woche noch so sehen.

Natürlich fahre ich mit diesem Blog auch ein Risiko. Irgendwann wird mich vielleicht irgendwer nicht einstellen, weil er diese Seite hier kennt. Ich bin aber in meinem Job so gut, dass ich nicht auf das Goodwill andere Leute angewiesen bin. Oder Leute im Stadion oder im Chat oder auf dem Stammtisch oder sonst wo schauen komisch, wenn es um mich geht. Das Schöne daran ist: Auch das ist mir egal. Es hat mich noch nie sonderlich interessiert, dass mich alle Leute toll finden, wenn sie an mich denken. Ich war auch noch nie sonderlich talentiert für die Rolle des Sunnyboy, der zu allen smart ist und den alle lieben. Meine Stärke lag schon immer darin schonungslos offen zu mir und anderen zu sein. Den Finger auf den wunden Punkt zu legen und zu sagen „Schaut mal, hier stink´s“. Und da spare ich mich eben nicht aus. Ich bin ein hochtalentierter aber extrem schwieriger Mensch. Mein Talent hält mich aber im Leben. Wäre ich ein durchschnittlich veranlagter Mitläufer wäre ich vielleicht eine arme Wurst. So kann ich es mir aber leisten, dass die Leute hinter vorgehaltener Hand oder offen sagen „Mann, ist der peinlich“. Denn ich kriege selbst besoffen noch mehr hin als 95% aller Menschen in nüchternen Kopf. Und ich habe keine Lust hier im Blog einfach so zu tun, als wäre ich ein extrem toller Typ, dem alles gelingt, der keine Fehler macht und dem nie was schief geht. Ich liebe meine Widersprüche, arbeite daran und will im Leben was erreichen.
Und ich würde mich freuen, wenn ich mit meinem Geschreibsel ein oder zwei Leute dazu motiviere auch über ihre Widersprüche nachzudenken, aber sich auch nicht dafür zu schämen, wenn sie mal aus der Reihe tanzen. Denn darum geht es letztlich: Offen mit seinen Fehler oder auch Abgründen umzugehen, sich zu reflektieren und an sich zu arbeiten.

Du erreichst nichts im Leben, wenn Du nicht schonungslos gegenüber Dir selbst bist.

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