Mittwoch, 9. Dezember 2009

Dieser Sport ist zu schön um ihn Reinhold Beckmann zu überlassen

Sie wollen uns nicht, die Herren aus dem Establishment. Bzw. sie haben uns noch nie gewollt, aber jetzt gehen sie massiv gegen uns vor. Und haben mit Robert Enke scheinbar endlich das Argument gefunden mit dem sie uns mundtot machen zu können glauben. Seitdem Fußball eine Veranstaltung ist an dem auch höhergestellte Menschen Spaß haben wird der Sport immer klinischer und reiner. Freude ja, aber bitte kontrolliert. In dieser sauberen Welt ist kein Platz für echte Leidenschaft. Höflicher Applaus beim Sieg, das muss reichen. Sie nennen das Sportsgeist. Ich nenne das hirntot.

Der Sport hat sich bitte den Anforderungen des TVs anzupassen und der Fan hat bitteschön Choreographien zu machen, weil das im Fernsehen gut aussieht und er hat für Stimmung zu sorgen. Allerdings nur für positive. Schmährufe haben bitte zu unterbleiben. Denn inzwischen wird aus jedem Schmähruf ein „Krawall“, aus ein paar Fußball-Fans, die jemanden beleidigen „Chaoten“ und Anhänger, die einen Bus blockieren zu „Hooligans. Im Moment wird jedes ungewollte Auftreten von Fans massiv skandalisiert.

Meiner Meinung nach ist das ein bewusster Prozess. Ich weiß, dass das jetzt extrem pathetisch klingt, aber was wir im Moment erleben ist ein Klassenkampf. Es ist der Kampf des Establishment um die Herrschaft im Fußball. Denn tatsächlich ist die organisierte Fanszene die einzige Größe, die den Herren in den Daimlers die Macht streitig machen kann bei ihrem jeweiligen Club. Und die verhindert, dass sie so ihre Spielchen treiben können wie sie das gerne wollen. Da hatten sich Horst Heldt und Markus Babbel gerade verabredet den VfB Stuttgart zusammen in die zweite Liga zu reiten – weil man mag sich ja und ist so dick befreundet – und da kommt die böse Stuttgarter Fanszene und durchkreuzt den Frieden einfach. Und plötzlich wird beim VfB nicht mehr von Markus Babbel und seinem Versagen gesprochen, sondern von „Chaoten“, die den „Bus angegriffen“ haben. (Ich möchte in diesem Zusammenhang auf die Erklärung vom Commando Cannstatt verweisen) Busblockaden waren seit je her ein Mittel von Fans ihren Missmut auszudrücken und komischerweise wurde das bisher nie kriminalisiert. Doch inzwischen wir die organisierte Fanszene unter Generalverdacht gestellt und als Mob verleumdet. Alles voran die bösen Ultras. Wer mich kennt, weiß, dass ich genug Kritik an vielen Erscheinungen der Ultra-Bewegung habe, aber bei dem Kesseltreiben im Moment möchte man ja fast den Struck machen und „Heute sind wir alle Ultra“ rufen.

Ich bin nicht so blind, dass ich nicht sehe, dass es in der Fußballszene eine Menge Dinge gibt, die man kritisieren kann, nein sogar muss. Aber das sollte man mit einer Grundsolidarität machen. Aber im Moment werden nur Aktionen gegen die Mächtigen im Fußball kritisiert und kriminalisiert. Ja, die Herren vom Establishment möchten unter sich bleiben. Sie möchten in ihren klinisch toten VIP-Bereichen sitzen, 2 Minuten vor dem Spiel rausgehen und dann soll da gute Stimmung sein. Und sie möchten den Verein so gestalten wie sie das wollen. Und wenn sie ihn ruinieren hat die Fankurve das bitte mit Jubel zu ertragen.

Man weiß übrigens nicht, was widerlicher ist, die bewusste Kriminalisierung von Fußball-Fans oder die Ekel erregende Instrumentalisierung von Robert Enke als Totschlagargument. Statt sich darum zu kümmern, dass man stärker für die Belange psychisch kranker sensibilisiert ist, wird der Tod dieses armen Menschen dafür missbraucht unliebsamer Kritiker zu diskreditieren. Und die Sportreporter benehmen sich im Moment wie die willfährigen Lakaien des Fußball-Establishments. Es ist nicht mal mehr der Ansatz von kritischer Berichterstattung vorhanden oder dem Versuch beide Seiten zu beleuchten. Es ist eine Schande für den Berufstand, dass Leute wie Reinhold Beckmann auf dem Bildschirm rumkreuchen dürfen und was von Moral faselt. Henri Nannen und Robert Enke würden im Grab um die Wette rotieren. Aber es muss ja nicht mal Henri Nannen sein, jemand mit dem journalistischen Anspruch von Alida Gundlach würde schon reichen. Ich fürchte es wird noch ziemlich knüppeldick kommen für uns. Was wir gerade erleben ist der Auftakt einer Kampagne, die ziemlich dreckig werden wird. Stellen Sie sich drauf ein, dass Sie bald ein Aussätziger sind, falls Sie aktiver Fan sind.

Ich weiß nicht, was noch kommen wird, aber ich weiß, dass der Sport wie wir ihn lieben zu gut ist, um ihm den Reinhold Beckmanns dieser Welt kampflos zu überlassen.

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