Sonntag, 11. Juli 2010

Einsam unter vielen

Manchmal fühle ich mich verdammt allein. Als wäre ich der einzige meiner Art. Das kann natürlich rein statistisch nicht stimmen, fühlt sich dadurch auch nicht weniger brutal an. Wobei: Was heißt schon brutal? Das ist natürlich auch völliger Quatsch. Einsam halt. Wobei „einsam“ auch übertrieben ist. „Alleine“ trifft es eher. Rein statistisch muss es mich mehrmals geben. Aber wo sind sie, die übergewichtigen, alten Menschen mit Karrieregedanken, für die der BVB immer Mittelpunkt ihres Denkens war, aber mit knapp unter 40 in der Fanszene so richtig aufgegangen sind und trotz ihres übersteigerten Ego versuchen wirklich was für ihren Verein zu bewegen? Es muss sie doch geben. Massenhaft. Rein statistisch. Wieso kenne ich keinen einzigen?

Auch wenn ich versuche das witzig zu formulieren, meine ich es eigentlich gar nicht so. Denn in der Tat fühle ich mich in der Masse der BVB Fans ziemlich einsam. Wie ich hier schon gefühle 10.000 Male geschrieben habe, bin ich BVB Fan seit ich denken kann und wurde mit 6 Jahren ins Stadion geschleppt. Ich bin im Westfalenstadion aufgewachsen und kannte nichts anderes. Meine Laune am Wochenende war immer vom Ergebnis des Spiels abhängig. Und gerade in den frühen 80ern hatte ich da nicht viel zu lachen. Dann kam irgendwann der Wegzug aus Witten, Ausbildung, Karriere, wenig Stadionbesuche, einsame Fahrten nach Dortmund – oder sonst wo hin – und irgendwann mit 38 der spontane Entschluss zu einem Stammtisch der Sailors zu gehen. Eine Entscheidung, die meine Leben veränderte, weil mir klar wurde, wie wichtig der Verein für mich ist – uns was mir immer gefehl hatte. Die tollste Frau von Welt wo gibt sagte, als ich auf dem Weg zum ersten Stammtisch war, schon ziemlich viel voraus von dem was später eintrat. Die kennt mich halt und wusste, dass da nur zusammenfindet, was zusammen gehört.

Dieser erste Besuch beim Stammtisch hat so ziemlich viel in meinem Lebe geändert. Eigentlich alles. Denn ich bin da angekommen, so ich immer hin wollte. Und fühle mich da genauso zu Hause wie einsam. Zu Hause, weil ich endlich unter Menschen bin, denen die Borussia auch viel bedeutet, einsam, weil ich eben das Gefühl habe, dass ich der einzige bin, der es so erlebt wie ich es erlebe. Es ist ja auch schwierig. Diejenigen, die ich kenne, in meinem Alter sind und wirklich harte BVB Fans sind, sind meisten schon seit Jahren in der Szene aktiv. Man kennt sich seit 20 Jahren und hat jede Menge gemeinsame Erlebnisse und Erinnerungen. Da gehöre ich eben nicht zu, weil meine Sozialisation anders war. Aber ich gehöre auch nicht zu den Fans, die zwar knallharte BVB-Anhänger sind, aber auch nur ab und zu fahren (können). Ich fühle mich da deutlich mehr mit den jungen Allesfahrern verbunden, aber ich teile mit denen einfach nicht dieselbe Welt. Ja, der BVB ist für die genauso wichtig, wie für mich, aber ich habe einfach schon diverse Lebensjahre und Aufs und Abs hinter mir. Ausbildung angefangen, abgebrochen, Parktikum bei Ferssehen gemacht, Karriere, Dienstwagen, arbeitslos, Firma gegründet, Firma aufgegeben, Freiberufler, keine Ahnung, wie man die Miete bezahlen soll, wieder festangestellt und viel Geld, wieder arbeitslos, als Jobnomade durch Deutschland gezogen und so weiter. Das prägt einen halt einfach. So sehr wie ich meine Jungs auch liebe, in bin halt in ein paar Punkten in einer anderen Welt.

Mir fehlt einfach jemand, der beruflich genauso engagiert und talentiert ist wie ich, der seinen Job lieb, aber der trotzdem noch nicht so abgestumpft ist, dass er nicht bereit ist, sich für den Club zu engagieren. Jemand, der kein Problem damit hätte für ein BVB Projekt 24 Stunden durchzuarbeiten, ohne, dass er einer Ultra-Gruppierung angehört und der eben viel zu spät festgestellt hat, was in seinem Leben wichtig ist neben dem Job und der Beziehung. Und der auch zuviel säuft, sich jedes Wochenende in den Stadien der Republik rumtreibt und mit seinem übersteigerten Ego die Leute in den Wahn treibt, aber trotzdem viel erreicht.

Mir fehlen diese Menschen - oder dieser eine Mensch, denn einer würde mir schon reichen – mit dem ich mich über den BVB austauschen kann und über das Gefühl freiwillig dafür alles zu geben, auch wenn man rational weiß, dass das Unsinn ist. Der auch diese „na klar bin ich dumm, aber ich bin es gerne“-Gefühl kennt. Der auch irgendwie nirgendwo wirklich dazu gehört, weil ihm für Ultra-sein die Geschichte, der Hang zum Fahnenklau und so ein paar andere Sachen fehlt, aber der sich dem Ultra-Gedanken im eigentlichen Sinne schon irgendwie verbunden fühlt. fühlt. Einer, der stundenlang über den BVB reden kann und gleichzeitig über den Job. Es gibt zwar eine Menge Leute mit denen ich bei uns gut reden kann, Captain, Lieblingslesbe, die Allesfahrer, aber bei allen gibt es eben noch einen „Missing Link“.

Ich würde wirklich viel dafür geben einen wie mich zu treffen. Ich glaube ich würde mich dann normaler fühlen.

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