Samstag, 18. Juni 2011

„Der Idiot mit dem Megafon“

Ich habe mal irgendwann einen Artikel bei der FAZ bei Facebook verlinkt. Bzw. auf ein Fotos dieses Artikels, weil der nur in der Printausgabe war. Thema war die „Gelbe Wand“ und der größte Teil der Seite bestand aus einem Foto, dass die Süd in kompletter Größe zeigte. Das sah unfassbar geil aus, weswegen ich es ja auch verlinkte. Ich kommentierte das irgendwie sinngemäß, dass man oft vergisst wie geil die Süd ist, worauf ich ein „So geil, dass die nicht drauf gehst“ als Antwort bekam. Was natürlich ein latenter Vorwurf war. Frei nach Magnum würde ich jetzt antworten: „Und wissen Sie was, Sie haben recht“.

Ich war das letzte Mal glaube ich 1991 oder so während eines Spieles auf der Süd, was ja nun auch mal 20 Jahre her ist. Und ich habe auch nicht so richtig die Veranlassung. Okay, zwischendurch denke ich immer wieder „Jetzt könnte ich auf die Südtribüne gehen“, dann bin ich aber zu faul mir eine Karte zu organisieren und merke, dass es mir so wichtig nicht sein kann. Die Süd ist beeindruckend, aber es reicht, wenn man sie von Außen sieht. Meine Zeit auf der gelben Wand ist einfach um.

Während ich auswärts gerne beim Mob bin, gerne stehe und auch lautstark supporte, ist zu Hause eher Ruhe angesagt. Ich will entspannt vorm Stadion ein Bierchen - manchmal auch zwei - trinken und wenn ich Lust habe meinen Arsch auch erst fünf Minuten vor Spielbeginn auf die Sitzschale hieven. Heimspiele sind für mich nette Familientreffen. So lange mir nicht einer Sepp-Blatter-mäßig einen Platz freihält, ist reizt mich an der Süd genau nichts. Zwar gehöre ich auch in der Ecke zu denjenigen, die ihre Stimme erheben, aber das ist natürlich nicht mit einem Auswärtssupport zu vergleichen. Ich lebe einfach in zwei Welten. Auch fußballmässig. Zu diesen zwei Welten gehört natürlich auch mein jeweils wechselndes Umfeld. Während man auswärts eher vom Ultra-Pöbel und dessen Umfeld umgeben ist, bin ich zu Hause von normalen Fußball-Fans eingekreist. Ich mag beides und beides würde mir fehlen, wenn es das nicht geben würde.

Direkt hinter mir in der Südwestecke sitzt ein geschiedenes Ehepaar, die auf den dritten Platz abwechselnd den Bruder des Mannes bzw. einen Freund mitbringen. Ich mag die inzwischen wirklich gerne. Und ich war sehr gerührt, dass sie mir am letzten Spieltag eine MMS von sich schickten die mit „Wir vermissen Dich“ betitelt war. Obwohl wir uns vorher nicht kannten mögen wir uns. Wir standen in jungen Jahren zur ungefähr selben Zeit in Block 13 - das heißt wir haben eine ähnliche Sozialisation - und der Kumpel war 97 in Tokio beim Weltpokal-Finale. Was ich auch erst diese Saison erfahren habe. Man denkt ja immer "Ja, der geht halt ab und zu ins Stadion", aber dann ist das einer, der ein Erlebnis hat, was wahrscheinlihc nie wieder ein BVB Fan haben wird. Nur, dass die Jungs dann halt irgendwann ruhiger geworden sind, während es mich auf die alten Tage noch mal in die Kurve und Szene zog. Wenn man ehrlich ist, ist deren Entwicklung normal und meine eher bescheuert, aber normal ist auch so ziemlich das letzte adjektiv, was man in Bezug auf mich auswählen würde. Ich bin halt eher der Typ, der seine großen Talente mit einer nicht weniger großen infantilen Ader kombiniert, daraus was mixt und sich nicht drum scheißt, ob ihn Leute bescheuert finden. Großgeworden bin ich mit dem Spruch meiner Mutter „Was sollen denn die Nachbarn denken?“ und ich habe ihn gehasst. Bis heute können mich die Nachbar und die Nachbarn der Nachbarn ebenso wie die entfernten Verwandten der Nachbarn am Arsch lecken.

Aber wir wollen bitte nicht wieder über mich reden,- entschuldigt meinen überbordenden Narzissmus - sondern über die zwei Welten. Die kommen sich nämlich so emotional manchmal ganz schön in die Quere. In jedem zweiten Spiel regt sich nämlich der Mann des Ex-Paares über unsere Vorsänger auf. Wobei er die dann einfachheitshalber zu einem macht. Um konkret zu sein zu "diesem Idioten". Was sich dann ungefähr so anhört. „Wenn ich diesen Idioten mit dem Megafon schön wieder höre. Der soll doch mal was singen, was die Leute kennen. Das kennt doch keine Sau, was der da plärrt. Kein Schwein“. Von Drölf bis in Teile der Ecken ist es nicht nur räumlich weit. Das sind gigantische Unterschiede. Der meinte das nicht böse. Das ist ein netter Kerl, genauso wie überwiegende Zahl der ULtras netter Kerle sind. Aber es sind nette Kerle in zwei Welten. Und ich steh mittendrin. Aber nicht dazwischen, denn ich mag beide Seiten.

Und ich will auf beides nicht verzichten. Ich bin mehr der Typ aktive Fan als der passive Konsument, aber ich finde es wichtig, dass man nicht in diesem Fanszene-Kram völlig versumpft. Und ich will auch einfach mal Fußball schauen ohne, dass es mich anstrengt. Und so sehr ich den kleinen Fußball-Szenekram liebe: Er ist halt nur ein kleiner Teil der Welt. Da ist man doch in einem viel zu kleinen Kosmos und es ist gut, dass ab und zu von Außen zu spiegeln.

Und deswegen bleib ich mal schön in meiner Ecke bei Heimspielen

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